Es gibt Momente im Leben, in denen wir eigentlich Angst haben sollten. Große Angst. Oder voller Wut sein sollten. Oder vor Traurigkeit laut schluchzen. Doch wir tun es nicht. Da ist eine Starre, die uns umfängt. In ihr erstarrt der Körper und auch das Gefühl. Es stockt. Es fließt nicht durch die Schale unseres Gemüts in unseren Ausdruck. Wir halten kurzatmig inne und lösen uns erst aus der Starre, wenn die Situation vorüber ist. Wenn wir uns überhaupt lösen… Was geschieht mit dem erstarrten Gefühl?
Freie Tiere sind körperlich und psychisch gesünder als wir Menschen. Sie leben in wesentlich größerer Furcht vor Feinden und sind dennoch weniger verspannt. Vögel zwitschern den ganzen Winter, auch wenn es feuchtkalt und neblig ist. Sie haben eine Methode zum Herauslassen von Anspannung: Nach einem emotional schweren Moment springen sie auf, schütteln sich und rennen (oder fliegen) aus Leibeskräften, bis alle Anspannung von ihnen abgefallen ist.
Wir Menschen haben uns das Ausschütteln, Herausrennen und Auslaufen aberzogen. Wir sind zumeist vom Verstand kontrolliert und voll von aufgestauten Gefühlen – die freien Tiere nicht. Sie werden gefressen, doch laufen nicht jeden Tag mit der alten Angst eines zurückliegenden Fast-Gefressen-Werdens herum.
Wenn dieses wahr ist¹ und es uns das fröhliche Zwitschern bei Nieselregen verwehrt, liegt Zweierlei nahe: Das zukünftige zeitnahe Ausdrücken des angemessenen Gefühls in einem achtsamen Rahmen. Und das Aufspüren der verschnürten Päckchen in uns.
Es gibt diese Momente, da scheint sich ein altes Päckchen zu öffnen. Tränen bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche. Erinnerungen steigen auf. Es ist ein Moment der Entscheidung: Hast du heute den Halt in dir, diese Emotionen und Gefühle zu ertragen? Sie liebevoll wiederzuerleben und ausklingen zu lassen?
1: Es ist für die Freiheit des Geistes hinderlich, Gedanken aufzunehmen, die nicht erlebbar sind. Das Erleben des auf dieser Seite Gesagten ist unmittelbar kaum möglich. Möglicherweise können es Hellsichtige sehen. Vieles spricht im Erleben dafür und wenn es wahr wäre, hätte es eine hohe Bedeutung für unsere körperliche und seelische Gesundheit.
erinnern Gemüt Vergangenheit Unterschied verletzt
Themen Wiedererleben Zukunft Was fehlt? erfüllt Übung
veröffentlicht am 1.9.2016, letzte Änderung am 4.9.2016 um 16:00 Uhr
Texte, Geschichten, Übungen zum Denken, Fühlen, Wollen und Spüren
Christoph Steinbach und Jaipur
412 Seiten, gebunden, mit 22 Zeichnungen des Verfassers
22,98 € versandkostenfrei in DE, +2,99 € für AT und CH